Blog & Wissenswertes
Animal Hoarding
von Andrea Fleiter & Katja Rosenthal
Animal
Hoarding – Leid und Qual für Tier und Mensch - 57
Tiere aus Messie-Pflegestelle gerettet – Katzen verwahrlosen in
Wohnung in Bochum – Übler Gestank! Polizei findet 23 tote
Schlangen in einer Wohnung
Solche
Schlagzeilen schockieren. Dahinter steht tiefes Leid der Tiere, aber
auch ein Phänomen, das erst in den letzten zwanzig Jahren vermehrte
Aufmerksamkeit gefunden hat: Das pathologische Sammeln von Tieren. Pathologisch
ist nicht die Haltung einer größeren Anzahl von Tieren. Von
Tiersammlung bzw. Tierhortung („animal hoarding“) spricht man
dann, wenn Halter nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihre Tiere
angemessen zu versorgen. Dann verwahrlosen, hungern, erkranken oder
sterben Tiere.
Vier
Persönlichkeitstypen des Tierhorters werden unterschieden: Der „Typ
des übertriebenen Pflegers“ fühlt sich den Tieren verbunden. Ihm
wachsen die Probleme der Haltung aber ebenso über den Kopf wie dem
Typ des „Züchters“, der ursprünglich eine Tierzucht beginnen
wollte. Der Typ des „Retters“ hingegen glaubt fest daran, er
würde die Tiere vor Schlimmeren bewahren. Weit weniger häufig sind
Menschen des „Ausbeutertyps“, die mit der Tierhaltung
ausschließlich eigene Bedürfnisse befriedigen.
Fälle
von Tierhortung werden am häufigsten durch Meldungen von Nachbarn,
Vermietern, Tierschutzorganisationen oder zufälligen Besuchern
aufgedeckt. Der Deutsche Tierschutzbund zählte in den Jahren 2012
bis 2015 in Deutschland 120 bekannt gewordene Fälle der Hortung von
9.174 Tieren. Am häufigsten wurden Katzen gehortet, aber auch Hunde,
kleine Heimtiere und Ziervögel waren häufig Opfer. Die Dunkelziffer
ist sehr hoch.
Das
Tierheim Bochum verzeichnet in den letzten Jahren immer mehr Fälle
von Animal Hoarding. Die Aufnahme, Unterbringung und ärztliche
Versorgung der Tiere ist ein finanzieller und personeller Kraftakt,
der katastrophale Zustand der Tiere eine enorme emotionale Belastung
für alle Mitarbeiter.
Auswirkungen
auf Tier und Mensch
Die
betroffenen Tiere sind krank, verletzt, unterernährt und ausgezehrt.
Sie leiden unter Infektionen, Erkrankungen und Entzündungen von
Haut, Ohren, Augen und Zähnen; sie sind voller Parasiten, ihr Fell
ist verfilzt. Kaum ein Tier ist geimpft, geschweige denn kastriert.
Viele von ihnen erleiden über einen längeren Zeitraum hinweg
schwere Schmerzen, manche versterben. Im bislang
schlimmsten Bochumer Fall wurden 2011 nach einem anonymen Hinweis aus
einer verwahrlosten Drei-Zimmer-Wohnung 56 verfilzte und verflohte
Perserkatzen befreit. Sieben Katzen mussten sofort eingeschläfert
werden. Ohne eine enge Kooperation der Tierheime untereinander wären
solche Fälle nicht aufzufangen. Die Tiere leiden aufgrund der
quälerischen Haltung unter Verhaltensstörungen. Sie sind
verängstigt und unsicher, manche aggressiv. Die Vermittlung
gestaltet sich schwierig. Oftmals bedarf es einer langwierigen
Resozialisierungsphase – eine Zeit, in der die Tiere langsam wieder
Vertrauen zum Menschen aufbauen müssen.
Die Forschung zum
Phänomen des Animal Hoardings steht noch in den Anfängen. Ein
großer Teil der wissenschaftlichen Studien stammt aus den USA. 2016
beschäftigte sich dort erstmals eine Forschergruppe mit den
Auswirkungen, die Animal Hoarding auf das Verhalten der betroffenen
Tiere hat. Die untersuchten Hunde waren ängstlicher und
menschenbezogener als die Kontrollgruppe, weniger aggressiv gegenüber
anderen Hunden, aber auch zwanghafter, von Trennungsangst geplagt,
weniger lernfähig und mit geringerem Jagdtrieb. Aber: Nicht nur die
Tiere, auch die Tierhorter bedürfen der Hilfe. Sie leben oft in
nicht weniger verwahrlosten Umständen. Das Leben in einem mit
Fäkalien verschmutzten Umfeld setzt sie gesundheitlichen Gefahren
aus. Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden,
finden guten Nährboden und verbreiten sich schneller. So erkranken
die Halter wahrscheinlicher an Toxoplasmose oder infizieren sich mit
Salmonellen.
Auswege
aus der Misere?
Ämtern
und Behörden ist die Existenz des Problems bekannt. Trotzdem ziehen
sich Verfahren teilweise über Jahre hin. Reagiert wird mit
Beschlagnahmungen und Sicherstellungen, Tierzahlbegrenzung und
Tierhalteverbot. Bußgeld- und Strafverfahren werden wegen
Tierquälerei eingeleitet. Im Bochumer Fall von 2011 wurde eine
Bewährungsstrafe von neun Monaten Haft verhängt und ein
fünfjähriges Tierhalteverbot ausgesprochen. Aber nicht nur ist der
Ausgang solcher Verfahren oft ungewiss. Vor allem wird dadurch nicht
verhindert, dass der Tierhorter erneut mit dem Horten anfängt.
Tierschützer
fordern deshalb ein früheres und konsequenteres Eingreifen der
zuständigen Behörden (Veterinär-, Gesundheits- und Ordnungsämter).
Gefährdete Tiere sollten nicht nur beschlagnahmt, sondern Tierhorter
mit einem unbegrenzten Tierhalte- und Betreuungsverbot belegt werden.
Der Aufbau einer deutschlandweiten Datenbank könnte verhindern, dass
die Tierhorter sich durch Wohnortwechsel Kontrollen entziehen. Doch
solche Maßnahmen allein reichen bei weitem nicht aus: Die Tierhorter
benötigen gezielte therapeutische Hilfen, auch wenn diese nicht zu
erzwingen sind. Ohne Therapie und strengere Kontrollen jedoch ist
eine Wiederholung des Hortens so gut wie sicher.